Gedämmt und zugemüllt

Die Wärmedämmung von Gebäuden spart Heizkosten und ist somit nachhaltig und umweltfreundlich … logisch, oder? So einfach ist die Sache aber leider nicht. Denn auch die Herstellung der Dämm-Materialien braucht Energie. Und um die Entflammbarkeit des am häufigsten verwendeten Dämmstoffs Polystyrol zu minimieren, wurde bis vor kurzem ein hochgiftiger Stoff eingesetzt, was wiederum die Entsorgung bzw. das Recycling schwierig macht.

Gebäude zu dämmen und so die notwendige Heizenergie zu minimieren hat noch keine sehr lange Tradition. Aktuell wurde das Thema in den 1970er Jahren, als die Ölpreise im Zuge der ersten Ölkrise in die Höhe schnellten. Dazu kamen Diskussionen um die Klimaerwärmung und das Waldsterben – in dieser Situation machte man sich erstmals Gedanken über das Energiesparen und die Wärmedämmung. Bald wurden entsprechende Maßnahmen staatlich verordnet und gefördert. Dämmen statt heizen wurde zur Devise: Die Häuser wurden immer effizienter und luftdichter gedämmt, mittlerweile sind in Österreich bei Neubauten Niedrigenergie- bzw. sogar Passivhäuser mit kontrollierter Wohnraumlüftung üblich.

Was das für die Wohnqualität bedeuten kann, soll hier nicht Thema sein – mehr dazu findet ihr zum Beispiel in der Linksammlung unter diesem Text. #ichbinsoplastikfrei geht es um die verwendeten Materialien und ihre Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.

Mehr als eine Million Tonnen Polystyrol auf Österreichs Fassaden

Das bei weitem kostengünstigste und am häufigsten verwendete Material zur Fassadendämmung sind Platten aus expandiertem Polystyrol (EPS – in Österreich z.B. unter den Handelsnamen Styropor, airpop oder Austrotherm bekannt) oder extrudierten Polystyrol (XPS). Polystyrol ist ein Kunststoff auf Erdölbasis, der in vielen Bereichen – etwa auch bei der Verpackung von Lebensmitteln – zum Einsatz kommt.

In der Schweiz waren Ende 2014 knapp 500.000 Tonnen EPS und 200.000 Tonnen XPS als Dämmstoffe in Gebäuden enthalten.[1] In Österreich wird seit den 1970er Jahren in stark ansteigender Menge EPS eingesetzt (im Jahr 2011 waren es 53.000 Tonnen!). XPS fand mit bis zu 24.000 Tonnen im Jahr 2013 als Dämmmaterial im Bausektor Verwendung. Derzeit befinden sich auf den Fassaden österreichischer Gebäude etwa 690.000 Tonnen EPS und 390.000 Tonnen XPS.[2]

Der Energieaufwand zur Herstellung von EPS und XPS ist laut Energiesparverband im Vergleich zur Energie, die bei der Herstellung von ökologischem Dämmmaterial aus Flachs, Hanf, Schafwolle oder Zellulose notwendig ist, als hoch einzustufen.[3] Auch die Verbrennung ist aufgrund von Styrol- und Pentan-Emissionen umweltbelastend.[4] Allerdings scheint man bereits an alternativen Möglichkeiten zu arbeiten: Forscher an der Universität Stanford haben in einer Studie nachgewiesen, dass das Material biologisch abbaubar sei – es könne von Mehlwürmern gefressen und in verrottbaren Kot umgewandelt werden.[5]

Hochgiftiges Flammschutzmittel

Bei Polystyrol als Dämmmaterial ist das Problem, dass es ohne Flammschutzmittel bei Temperaturen von knapp über 100 Grad schmelzen würde und die brennenden Tropfen im Nu einen unkontrollierbaren Brand entfachen würden. Deshalb wurde jahrzehntelang Hexabromcyclododecan, kurz HBCD, ein bromhältiges Flammschutzmittel, beigemengt. Seit Mitte 2015 ist HBCD in der EU weitgehend verboten, mit der Umstellung auf weniger bedenkliche Flammschutzmittel hat man aber erst kurz vorher begonnen. Die Entsorgung der bestehenden HBCD-hältigen Dämmplatten, die sich derzeit auf unseren Häusern befinden, erreicht Schätzungen zufolge erst 2045 ihren Höhepunkt, wo in Österreich zwischen 11.000 – 17.000 Tonnen jährlich entsorgt werden könnten. Das Ende des Rücklaufs sei erst in rund 80 Jahren zu erwarten.[6]

In Deutschland ist HBCD-hältiges Styropor  seit Oktober 2016 als „gefährlicher Abfall“ eingestuft. In Österreich wird es weiterhin als nicht gefährlicher Abfall eingestuft und darf somit in Müllverbrennungsanlagen verbrannt werden.

Recycling schwierig

Auch das Recycling des Materials ist schwierig, weil es aufgrund der geringen Schüttdichte hohe Transportkosten verursacht. Ein weiteres Problem ist derzeit noch, dass EPS-Platten meist verschmutzt oder mit anderen Materialien vermischt sind, Recycling aber nur mit Materialien in reiner Form möglich ist. Es gibt bereits Methoden, aus entsorgten Platten recyclebares Material zu filtern, diese sind aber teuer und derzeit noch im Versuchsstadium.[7]

Vieles spricht also dafür, sich bei der Wärmedämmung für eine teurere, aber ökologisch nachhaltige Dämmung zu entscheiden. Darüber hinaus würde es sich lohnen – vor allem auch was die Förderungspolitik betrifft – auch die Nachhaltigkeit der Energiequelle für die Heizung im Fokus zu haben: Mit Solarenergie zu heizen ist zum Beispiel wesentlich umweltfreundlicher als mit Öl – auch wenn man eventuell ein bisschen mehr Energie durch die nicht völlig luftdichte Gebäudehülle pulvert.

 

[1] Studie «Verbaute Dämmungen EPS/XPS», 2015

[2]Eibensteiner, S. 18

[3] Folder Land OÖ & Energiesparverband

[4] IBO

[5] Jordan, Rob.: Plastic-eating Worms May Offer Solution to Mounting Waste, Stanford Researchers Discover. Stanford News, September 2015. Abgerufen am 26. April 2017

[6] Eibensteiner, Seite 40

[7] vgl. Eibensteiner

 

Zum Nachlesen:

Studie «Verbaute Dämmungen EPS/XPS», 2015

Friedrich Eibensteiner: STREC EPS/XPS Recycling Baubereich. Endbericht. Im Auftrag des BMLFUW, des Amts der OÖ Landesregierung für Umweltschutz und Sunpor GmbH. Abgerufen am 12. 07. 2017

Umweltfreundiche Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen. Land OÖ & Energiesparverband. Abgerufen am 10. Juli 2017

IBO – Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie Donau-Universität Krems, Zentrum für Bauen und Umwelt (Hrsg.): Ökologie der Dämmstoffe. Srpinger: 2000. Abgerufen am 10. Juli 2017

Lesenswert zum Thema sind auch folgende Blogbeiträge von TrioDevelopment

Blue Development statt bewohnbarer Sondermülldepots

Verdämmt und zugeklebt

Styropor-Dämmung. Foto © KARA, fotolia.com